Loading...

Märchenmärkte

Franz Rieder • Transgressionen des Eigentums, das Schweigen der Monetaristen, die Krise der Menge       (nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 26.05.2019)

Den Keynes-, Pigou- und Patinkin-Effekten ist eins gleich: sie erzählen uns Geschichten von Märkten, die wie Karousels kreisen um Geldmengen und Preise, um Zinsen und Investitionen, um Konsum und Sparguthaben. Hier im Märchenwald voller schöner, lockender Lebkuchenhäuschen, sitzt die Hexe Gundel Gaukely, stets bereit, Dagobert Duck den Glückszehner bzw. Glückstaler abzujagen, mit der Absicht, die Münze einzuschmelzen und aus ihr ein magisches Amulett herzustellen, um zur reichsten und mächtigsten Hexe der Welt aufsteigen zu können und die Macht des steinreichen Donald zu brechen.
Gundel, ständig unter Beobachtung der Privatdetektive Donalds, ist eine ganz normale Ente, die ein wenig mit Zaubertränken, Bannzaubern und anderen Zaubersprüchen herum experimentiert, jedoch über keinerlei übernatürliche Kräfte verfügt; im Gegenteil, ihren Unterhalt in ihrer als Zauber-Boutique aufgemachten Hütte verdient.

Gundel, sympathisch wie eine unfrisierte, englische Landlady frühmorgens in einer Bingo-Hall im Seebad, ein wenig schräg und überspannt, verdient ihr Geld mit Nippes und wäre gerne reich wie ihr männlicher Gegenspieler. Aber alle Versuche, aus dem bisschen Nippes mehr Geld zu machen, zerplatzen wie ihre Zaubersprüche.
Kein Wunder, dass dem Raben Nimmermehr, traditionell eigentlich ein Götterbote, zu dem sinnlosen Hokuspokus der Gundel wenig bis nichts einfällt. Grimmig dreinblickend auf einer Stange sitzend, redet der verhexte Rabe allenfalls Stereotypen, interagiert nicht mit Gundel, der er auch selten auf der Schulter sitzt, lange auch mit niemanden anderem und wird auch nicht beim Namen genannt, zumal er ständig Gefahr läuft, umbenannt zu werden.

So funktionieren die Märkte der Ökonomik wie die Fahrgeschäfte auf einer Kinderkirmes. Die Kleinen haben Spaß, wenn das Karusel oder andere Gerätschaften sich drehen, wenn Geisterbahn und Showboxen abwechselnd kalte und warme Schauer den Rücken herunterlaufen lassen. Nimmermehr kann gar nichts mehr einfallen, da alle Energie am Gelde hängt und wieder zu diesem zurück drängt und worüber sollte der Rabe künden, wenn niemand mehr etwas von den Göttern wissen möchte. Wenn Geld die Märkte zirkulieren lässt, dann stehen die Räder eben still, wenn keiner mehr die Fahrkarten kauft.

Wenn dann die Preise für das Karusel so stark sinken, dass die Nachfrage der Kinder so sehr steigt, dass am Ende durch hektische Investitionstätigkeit jedes Kind hypothetisch ein Karussell allein befahren kann, dann hat der Spaß auf beiden Seiten, dem der Kinder wie der Karussellbesitzer schnell ein Ende, dann kommt man rasch dem Grenznutzen des zusätzlichen Konsums wie der Kassenhaltung näher.

Wäre die Kirmes ein um sich selbst kreisender Markt, würden in Windeseile die Geldbestände in den Kassenhäuschen wachsen und den Geldmengen M1 und M2 ein äquivalenter Schuldenstand entsprechen, würden also nicht nur nach Realkasseneffekten die Geldbestände sich auftürmen wie bei Donald im Schwimmbad, sondern auch die Verbindlichkeiten, von denen man bei Donald nichts weiß, da sein „Glückstaler“ ja die Geldmehrung als deus ex machina magisch vorstellt und den Blick auf dahinter blockierte und liquidierte Vermögenswerte nicht freigibt.

Gundel, die Realkassenexpertin, türmt die Einnahmen ihrer Karussells gegen Schulden und sitzt am Ende mit den Bankern und den fahrenden Gesellen, die, vollbeschäftigt am Kartenschalter und den Einstiegen des Karussells die Kinder betreuen, nach der letzten Fahrt am leeren Pool der Hexe, in den kein einziger Taler geflossen ist, obwohl doch die siebentägige Kirmeszeit gleichsam wie ein leer geräumtes Regal funktioniert hat.
Wenn selbst nach leer geräumten Regalen kein Heller zusätzlicher Vermögensaufbau stattgefunden hat, wenn also der Potemkin-Effekt voll durchschlägt, dann hat das ganze Geschäftsmodel Kirmes allenfalls noch etwas von Kinderromantik und Märchenmarkt, zugegeben, ohne unfreiwillige Arbeitslosigkeit.

Der Markt muss „rund“ sein, sonst gäbe es kein Gleichgewicht. Tangential würden die Karussellbesitzer bei Unwucht in die Umgebung fliegen, die Kinder, also die Konsumenten mit. Eine solche Unwucht wäre, wenn die Investitionsnachfrage steigt, obwohl der Marktzins steigt. Oder wenn Preisniveau und Sparneigung im Gleichschritt stiegen. Denn rechnerische Wirkungsmechanismen erhält nur, wer Märkte als „runde“ Sache, ohne Unwucht, als eine Ordnung im Gleichgewicht konstruiert. Nur so kann Mathematik auch den Status einer formelhaften Repräsentation eines Marktgeschehens erreichen als ‚etwas ist eine Funktion von etwas anderem‘.

Was aber, wenn die Märkte nicht „rund“ sind? Was, wenn Marktprozesse keiner Kausallogik folgen, sondern fraktal sind? Und was wäre, wenn die Finanzmärkte nicht dem wirtschaftlichen Geschehen, sondern umgekehrt, das wirtschaftliche Geschehen dem der Finanzmärkte folgt und dieser „Wirkmechanismus“ in einer fraktalen und nicht in einer kausalen Logik darstellbar wäre? Astrophysiker, Meteorologen und Quantenmechaniker haben dies gemeinsam, eine wie auch immer geartete Kausalität gibt es nicht. Sie ist eine Erfindung, deren Einsatz hinreichte, geschlossene Volkswirtschaften im industriellen Prozess zu beschreiben, auch einigermaßen zu berechnen. Der homo oeconomicus war in Wahrheit ein homo industrialis.
Den heutigen Zustand der Ökonomik, bliebe man bei der Terminologie, könnte man beschreiben als ein Transgressionsprozess vom homo industrialis zum homo fractalis.



Transgressionen des Eigentums


Will man die Wege des Privateigentums nachzeichnen, muss man sich mit Formen der Unternehmensfinanzierung bzw. der Finanzierung der Übertragung von Unternehmensanteilen an Investoren beschäftigen. Tut man dies, wird man erkennen, dass Finanzierungsstrukturen zunehmend nicht den klassischen1 Modellen der Ökonomik folgen, sondern an Finanzmarkt orientierten Finanzierungsmodellen ausgerichtet sind.
Insofern also von Finanzmarktmodellen im Zusammenhang mit der Unternehmensfinanzierung gesprochen wird, ist die Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroökonomie zugleich auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht hinfällig.

Bei der Finanzierung von Unternehmensanteilen der Deutschen Bank von knapp unter 10%, dem größten Einzelaktionärsanteil an dem Institut, vermittelte ein Wiener Vermögensverwalter zwischen dem Institut, dem chinesischen Investor und zum Teil auch seinen eigenen Asset-Kunden. Den Kauf der Unternehmensanteile finanzierte der chinesische Investor, HNA, teilweise über Kredite. Wie bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereichte Unterlagen dokumentieren, nahmen HNA und C-Quadrat für den Kauf von knapp 205 Millionen Aktien, die insgesamt etwa 3,4 Mrd. € zum Kaufzeitpunkt wert waren, knapp 2,7 Mio. an Krediten auf. Der kleine Teil von etwa 300 Mio. € wurde über einen normalen Kredit finanziert, 2, 4 Mrd. aber über eine Kapitalmarktkonstruktion, bei der sich HNA sowohl gegen große Verluste absicherte wie bei starken Kursgewinnen zusätzlich profitierte.

Finanzierungen, die eine bestimmte Schwankungsgröße der Aktien der zu übernehmenden Unternehmen berücksichtigen, nehmen im Investmentbanking auch nach der Krise 2007/8 wieder stark zu. Equity Collar heißen neuerdings solche Konstrukte bei kreditfinanzierten Aktienkäufen, weil sie, gleichsam wie ein doppelter Kragen, aus zwei symmetrischen Teilen bestehen. So kauft der Investor Optionen bei einer Investmentbank gegen Kursverluste und zugleich ein Optionspakt, das der Investmentbank Kursgewinne ab einer bestimmten Schwelle garantiert.

Die Investmentbank muss, fällt der Kurs unter ein bestimmtes Niveau, dem Investor einen Barausgleich zahlen, erhält im Gegenzug die Kursgewinne über der vereinbarten Schwelle. So sicherte der chinesische Investor eine erste Tranche von Aktien dagegen ab, sollten sie unter den Kurs von 15 Euro fallen. Die Investmentbank sicherte sich die Kursgewinne für diesen Aktienanteil ab einem Kurs von 20 Euro. Zugleich wurde eine weitere Tranchen vor einem Kursverfall unter 14,52 Euro abgesichert und die Gewinne ab einem Kurs von 20,98 an die Investmentbank überschrieben.
So wurden in unterschiedlichen Tranchen und Durationen Kursrisiken bis ins Jahr 2019 minimiert und in einer dritten Tranche etwa 80% der Kursrisken bis ins Jahr 2020/21 abgesichert.

Im Vergleich zu einer normalen kreditfinanzierten Aktienübernahme sind solche Optionsgeschäfte, also gehedgte Finanzierungen, von einigem Vorteil. Im ersten Fall verlangt die kreditgebende Bank meist höhere Sicherheiten, sobald ein kreditfinanziertes Aktienpaket an Wert verliert. Nicht so bei Collar-Transaktionen. Hier ist es so, dass in dem Maße, wie die Aktienpakete an Wert verlieren, gleichsam zug um Zug die Werte der Optionspakete, mit denen sich der Investor gegen den Kursrückgang abgesichert hat, steigen.

Solche Derivatestrukturen erlauben erst solche Finanzierungsmodelle, sind also ohne die internationalen Finanzmärkte und deren Ausprägung nicht denkbar und möglich. Für den Investor sind solche Strukturen deshalb optimaler, da dessen Refinanzierungskosten erheblich geringer sind, als im klassischen Kreditgeschäft.

Im Falle von HNA sichert sich der Investor so gegen hohe Kursverluste ab und muss erst dann Gewinne abgeben, wenn der Kurs über 20 Euro steigt. Ist dies der Fall, kann der Investor einen Teil der Optionen, die dazu verpflichten, besonders hohe Kursgewinne abzugeben, wieder zurückkaufen, was nicht selten dann auch so geschieht. Eigentumspositionen werden also auf sehr unterschiedlichen Wegen aufgebaut bzw. intermittierend ent- und reprivatisiert.

Diese Konstruktion ist aber nur dann robuster als eine reine Kreditfinanzierung, wenn nicht – wie vor der Finanzkrise 2007/8 geschehen – ganze Optionspakete oder Teile davon in anderen Formen von Verbriefungen wieder weiterverkauft werden, also in den internationalen Börsenhandel geraten. Und dies kann schnell geschehen, kommt ein Investor in finanzielle Schwierigkeiten, die dann bei kreditfinanzierten Aktienübernahmen besonders schwer ins Gewicht fallen.

Notverkäufe, an sich schon per se recht schädlich, ziehen natürlich die Kurse dramatisch nach unten und sind wenig konjunktur-resistent, was potenzierend wirkt. Hinzu kommt, dass, wie hier im Falle von HNA, die Eigentümerstruktur des Investors weniger als intransparent ist. Chinesen hinter das Lächeln zu schauen hat schon einige Male nicht funktioniert und ist auch in diesem Fall bislang unbefriedigend geblieben.
Damit ist natürlich die Haftungsfrage hochgradig verschleiert und Risiken kaum einzuschätzen, was, erinnern wir uns, ein ganz zentrales Momentum der Finanzkrise 2007/8 gewesen ist. Wer für welche toxischen Verbriefungen letztendlich haftet, war damals unbekannt und mehr noch, wie viel dieser toxischen Papiere überhaupt im Umlauf waren, welche mit welcher Umlaufgeschwindigkeit, also Fälligkeiten bei welcher Bank in den Konten lagen und die im Falle der Liquidierung wiederum welchen Banken mit in die Notverkaufsspirale gezogen hätten wurde zum eigentlichen Problem der Intransparenz im Derivatehandel.



Das Schweigen der Monetaristen


Milton Friedman, zurecht als Begründer des Monetarismus gewürdigt, war zu Beginn seiner akademischen Karriere, die ja bekanntlich bis zum Alfred-Nobel-Gedächtnispreis im Jahr 1976 für Wirtschaftswissenschaften führte ein Krisentheoretiker. Heute ist er bekannt für seine Leistungen auf dem Gebiet der Analyse des Konsums, der Geschichte und der Theorie des Geldes und für seine Demonstration der Komplexität der Stabilitätspolitik und wird neben John Maynard Keynes als der einflussreichste Ökonom des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen. Zurecht? Wir finden nicht. Trotzdem sind seine Ausführungen gerade zur Geldmengentheorie für das Verständnis und die Entwicklung der Ökonomik wichtig, besonders in Hinsicht auf einen neuen Ansatz des Verständnisses von Wirtschaftskrisen mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Seine empirische Basis war die Weltwirtschaftskrise in den USA von 1929-19331. In seiner Analyse der Ursachen der Krise legte er den Grundstein für seine Theorie der Preisbestimmung durch Geldmengenvarianz. Nach Friedman sind Preise immer flexibel, können daher weder falsch noch richtig sein. Folgerichtig war er der Ansicht, dass eine – wo auch immer herkommende, zusätzliche – Flexibilisierung der Preise auch kein geeignetes Mittel der Krisenprävention und Krisenbewältigung sein kann wie dies Keynesianer und neokeynesianische Makroökonomen andachten. Er fokussierte auf die Auswirkungen von Deflation für Output und Beschäftigung und erkannte im deflationären, geldpolitischen Handeln der FED vor Ausbruch der Krise auch deren Ursache. Demnach steigt durch Deflation der Realzins (Hier definiert als Nominalzins plus Preisverfall) und wirkt sich negativ auf die Investitionstätigkeit aus; die Wirtschaft schrumpft in die Krise.

Wenn gleich auch unbestritten ist und auch von nicht-monetaristischen Neoklassikern ein solcher Effekt eingeräumt wird, ist die Relation zwischen Deflation, Realzins und Investion nicht unbedingt hnreichend zur Erklärung von Weltwirtschaftskrisen. Friedman fokussierte die neoklassische Quantitätstheorie des Geldes, nach der das Preisniveau allein von der Geldmenge bestimmt wird, vorausgesetzt die Konstanz von Umlaufgeschwindigkeit des Geldes1 und Output.

Wir haben bereits gesehen, dass der Output bzw. die Outputlücke viel damit zu tun hat, was und wie produziert wird. In einer vorwiegend industriellen Produktion, wo der Output durchaus eine Beziehung der maschinell getakteten menschlichen Arbeit darstellt, kann deshalb auch eine Übersetzung dieser Relation zwischen Geldeinheit und Umsatzgröße hergestellt werden. Eine Änderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nach oben bzw. unten bewirkt dann auch eine Erhöhung bzw. Verminderung der Geldmenge, die mithin eine Steigerung bzw. Verminderung von Output und Umsatz bzw. Umsatzerlösen repräsentiert.

Dieses mechanisch-vertikale Modell funktionierte weniger, wenn andere, weniger oder nicht skalierbare Produktivkräfte wie etwa geistige (kreative) Arbeit hinzu kommen. Und selbst die Produktivitäts- und Wettbewerbseffekte durch computerisierte Produktion und Produktsabläufe wie die Digitalisierung, sprich Ersetzung ganzer Output-Aggregate in Produktion und Dienstleistung ist bis heute noch nicht hinreichend repräsentiert in der aktuellen Volks- und Betriebswirtschaftlehre.

Trotzdem ist es sinnvoll, sich der Quatitätstheorie des Geldes zu vergegenwärtigen, basiert doch einiges an Wirtschafts-, Finanz- und Notenbankpolitik auf dessen, durch Friedman fortgeschriebenen Ansatz. Wesentlich für den Ansatz von Friedman ist, dass eine stabile Geldnachfragefunktion existiert, die als Nachfrage nach einer konstanten Realkasse charakterisiert werden kann. Dabei wird die Geldmenge (M) verstanden als Summe von M1 und M2, der eine Realkasse (P) entspricht. Die Realkasse gibt an, wie viele Güter mit Hilfe einer bestimmten Geldmenge gekauft werden können. Die Gütermenge entspricht M/P und wird also als Realkasse bezeichnet, mit deren Hilfe eine Aussage über die Kaufkraft der Geldmenge getroffen werden kann.

Nach Friedmann wird die monetaristische Geldnachfrage real durch ein Bündel an Determinaten beeinflusst. Da sind die Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere wie die Verzinsung variabel verzinslicher Wertpapiere (speziell Aktien). Dazu kommt die erwartete Inflationsrate, der Anteil des Humankapitals (schrecklicher Ausdruck) am Gesamtvermögen sowie die Liquiditätspräferenzen der Wirtschaftssubjekte.

Die Wirkungsmechanismen seien dann wie folgt: Steigt das Humankapital, so steigt auch die reale Geldnachfrage, was ja nichts anderes heißt, als dass in einer florierenden Wirtschaft und großer Nachfrage auf den Absatzmärkten bei annähernder Vollbeschäftigung die Lohnsumme entsprechend steigen müsse. Das dies nicht zwingend der Fall ist, haben wir gesehen am Beispiel Europas und der USA in den letzten zehn Jahren.

Ebenso soll die Verzinsungen von festverzinslichen Wertpapieren als auch von Aktien die reale Geldnachfrage fallen lassen. Dies hat sich ebenso als nur bedingt richtig erwiesen, da besonders in den USA z. B., aber auch an den asiatischen Börsen die Nachfrage nach Aktien und Anleihen nicht selten aus kreditfinanzierten Quellen geschieht.

Und letztlich: steigt die Inflationsrate, so fragen die Wirtschaftssubjekte weniger Realkasse nach, eine Erhöhung des permanenten Einkommens lässt die Nachfrage nach realer Geldmenge steigen. Auch hier stellen wir sehr unterschiedliche Effekte je nach Volkswirtschaften und Wirtschaftssubjekten fest. In der BRD, dem klassischen Land der Sparer beobachten wir, wie gesehen, sogar einen Anstieg der Sparquote trotz realem Kaufkraftverlust. Beachtet werden sollte, dass Keynesianer die Geldnachfrage in Abhängigkeit des Aktualeinkommens, während die Montaristen die Geldnachfrage vom permanentem Einkommen2 her verstehen.

Die Quintessenz der Friedman’schen Krisentheorie am Beispiel der Weltwirtschaftskrise 1929-33 liegt darin, dass, anders als andere, die die Ursache der Krise im Crash der Wallstreet sahen, die FED ab etwa Mitte März 1928 durch ihre deflationäre Geldpolitik sowohl die Geldmenge M1 wie auch M2 starkt verringerte und beide bis 1933 etwa um ein Drittel abnahmen. Friedman erkennt in der Verminderung der nominellen Geldmengen eine Verminderung der Realkassen, sprich Kaufkraft, und somit eine Umschichtung ihrer Börsenportfolios in Bargeld, um diese Verringerung auszugleichen.

Ganz im Sinne mechanischer Wirkmechanismen folgt daraus, dass die reale Geldmenge ansteigt, weil Börsenaktiva liquidiert wurden, gleichzeitig aber die Bargeldmenge im deflatorischen Trend an Wert verlor, was wiederum zur Verringerung von Ausgaben, sowohl konsumptive wie investive, was wiederum zu einer Verlangsamung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes führte und damit den Boden für eine drastische Kontraktion von Output und Beschäftigung bereitete.

Was Friedman generell und hier im Falle der Weltwirtschaftskrise speziell außer Acht lässt, ist die für die USA typische Verhaltensweise von Unternehmen und Investoren, in Zeiten von Deflation und sinkenden Zinsen hohe kreditfinanzierte Investments, sowohl in Realkapital wie in börsennotierte Buchwerte zu tätigen. Schuldenstände wachsen dann sowohl in der Privatwirtschaft wie an den Finanzmärkten und hinzu kommt meistens, wie wir auch heute sehen, dass der US-Staat seine Ausgaben selbst über kreditfinanzierte oder notenbankpolitische Geldmaßnahmen sowie fiskal-politische Gesetzesinitiativen drastisch erhöht.
Was verwundert ist nicht so sehr, dass dieser Umstand einer kreditfinanzierten Investitionstätigkeit, die zugleich auch in Zeiten deflationärer Notenbank- und Fiskalpolitik einen Overflow an Produktions-Kapazitäten wie auch an Unternehmensbeteiligungen, an Aktienrückkäufen und Kursdressings führt, nicht grundsätzlich theoretisch beachtet wird. Verwunderlich ist die notorische Ausklammerung dieser Kapitalmarktprozesse und geldpolitischen Phänomene nun bereits seit über einem Jahrhundert. Das Schweigen der Monetaristen dazu hat natürlich seinen tieferen Grund darin, dass mit einer „Mengenlehre“ der Logik von Krisen, so es eine überhaupt gibt, nicht nahe zu kommen ist.



Die Krise der Menge


Der vollkommene Markt mit seinen allabendlich leergekauften, geräumten Regalen, ist eine Fiktion; klar. Die Frage ist nicht, ob Fiktion oder Wirklichkeit, sondern welche Qualität die Fiktion an sich selbst hat. Das ist einfach zu sagen. Für den Schrippenbäcker sind geräumte Regale ein Traum und dem ist durch eigene Markterfahrung durchaus recht nahe zu kommen. Hier ist die Fiktion nahe am Tagtraum.

Für einen Luxusgüterproduzenten, oder einfach nur einen Automobilkonzern ist die Fiktion von geräumten Regalen ein Alptraum und wird auch unter keinen Umständen je etwas anderes werden. Hier gilt: das Gewünschte ist die Katastrophe.
Viele Szenarien sind vorstellbar, unter denen der horror vacui den Produzenten befällt. Nicht bei unverkäuflichen Modell-Flops, sondern gerade umgekehrt, wenn alle, wie aktuell Kunden von den schicken, steuerbegünstigten Dieselfahrzeugen etwa auf Benziner umsteigen wollen und selbst die ausgeklügeltste production on demand nebst feinst justierter Lieferlogistik, die die rechte Spur der gesamten bundesdeutschen Autobahnen auf voller Länge als Districenter benutzt, nicht ausreicht, die „Regale“ zeitnah wieder aufzufüllen.

Denn nur dann macht das Geschwätz vom geräumten Regal überhaupt einen Sinn, wenn wir von den Waren- und Gütern des täglichen Bedarfs sprechen oder eben von solchen, die in der Tagesproduktion und im Tagesabsatz mengenmäßig, technisch wie logistisch und administrativ over day überhaupt zu bewältigen sind. Abseits von Schrippen wird es selbst bei Lebensmittel schon schwer.

Leergekaufte Regale können daher zu einer weit über der „natürlichen Arbeitslosenquote“3 liegenden, vollen oder saisonalen Arbeitslosigkeit führen. Besonders dem Aspekt der saisonalen Arbeitslosigkeit haben die Monetaristen wenig Aufmerksamkeit geschenkt; wir kommen später darauf zurück.
Nach Friedman ist die „natural rate of unemployment“, welche durch die institutionellen Gegebenheiten determiniert sei, im Idealfall, also in einem vollkommenen Markt, gleich null. Langfristig lasse sich die Rate der natürlichen Arbeitslosigkeit durch Strukturreformen reduzieren, die die friktionellen und strukturellen Faktoren4 sowie die Unvollkommenheiten des Marktes, bestehend aus Informationsmängeln, Mobilitätshemmnissen, Anpassungskosten und demografischen Wandel erfolgreich bekämpfen. Beide Typen von Arbeitslosigkeit haben in der jüngsten Vergangenheit zugenommen, sind aber als stochastisch zu vernachlässigend betrachtet worden.

Nehmen wir aber nur das bereits weit zurückliegende Phänomen der „Gastarbeiter“ oder das Phänomen der illegalen Einwanderer in den USA und in der BRD aktuell, sowie die großen, wahrscheinlich intermittierenden Fremdarbeiterströme in der EU aufgrund allein schon hoher Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen EU Staaten mit ins Kalkül, werden die Ansätze der Theorie des antizyklischen Staatsverhaltens (Keynes) wie auch die Friedman’sche „Geldmengenregel“ neu überdacht werden müssen. In Europa jedenfalls ist die Bedeutung und die Dimension von friktioneller, struktureller und sogar saisonaler Arbeitslosigkeit zusammen genommen durchaus ein bedenkenswerter Umstand. Und dabei sind die durch den Technologiewandel auf breiter Front verursachten Wettbewerbs- und Arbeitsmarkteffekte noch gar nicht erwähnt.

Mit der einfachen Formel eines, innerhalb einer Deflation stattfindenden monetären Substitutionsprozesses, bei dem Geld aus Börsenaktiva in Bargeld liquidiert wird und so einen Realkasseneffekt auslöst, der sich schlussendlich in einer krisenführenden Kontraktion von Output und Beschäftigung ergießt, sind Krisen zumal im Weltwirtschaftsniveau kaum vorstellbar. Aber in der Einfachheit der Friedman’schen Denkmuster sollen zwei Aspekte behalten werden, die Auswirkungen bis heute zeigen.

Da ist die Verbindung von Politik und Geldmengenregel. Das besagt, dass die Politik, hier in Form einer „monetären Autorität“, nämlich der Zentralbanken, ein Mittel gegen Krisen einsetzen können, dies aber ausschließlich bei deflationären Bedingungen. Die Friedman’sche Geldmengenregel besagt nichts weiter, als dass die Notenbank die Geldmenge jeweils nach der Wachstumsrate, also des relativen BIPs, steigern oder vermindern soll.

Dieses Gleichgewicht zwischen Geldmenge und Output einer Volkswirtschaftsschaft steht auf wiederum zwei Beinen. Einmal der Vorstellung eines Gleichgewichts, das alle Wirtschaftssubjekte anstreben. Und auf die Vorstellung einer direkten Wirkung monetärer Aggregate auf die Leitzinsentwicklung sowie deren abgeleitete Wirkungsmechanismen, die sich in der Investitionstätigkeit und am Arbeitsmarkt zeigen. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich demnach symmetrisch zur Investition und somit zum Waren- und Güterangebot und findet in der Vorstellung von leegekauften Regalen und geräumten Arbeitsmärkten, also Vollbeschäftigung seine ideelle Zielvorstellung.

Wir sahen aber, dass leegekaufte Regale durchaus konträre, asymmetrische Vorstellungen bei unterschiedlichen Wirtschaftssubjekten auslösen. Steht Vollbeschäftigung wirklich symmetrisch zur volkswirtschaftlichen Vollauslastung der Wirtschaft? Ist der vollständige Waren- und Gütertausch wirksam im Sinne von Vollbeschäftigung? Wir melden Zweifel an dieser Form der „Mengenlehre“ an.

Die Menge der Waren- und Güterproduktion steht in keinem, weder notwendigen noch hinreichenden Verhältnis zur Menge der Beschäftigung. Denn dann wäre etwa prekäre Beschäftigung gleich bedeutend mit voller Erwerbsbeschäftigung. Wären strukturelle und saisonale Arten von Arbeitslosigkeit durch externe Faktoren wie etwa das Wetter oder durch die Inflexibilität des Arbeitsmarktes bzw. einiger Sektoren bestimmt.

Was aber machte den Arbeitsmarkt dann so unflexibel? Regulatorien, Lohngrenzen, Wohnrotgebundenheit, Bildungsferne, politische Mängel etc. werden gerne heran zitiert, wenn Krisen auf dem Arbeitsmarkt signifikant werden, und aber nur dann, wenn diese Signifikanz zugleich auch mit einer, extern verursachten konjunkturellen Schwäche einhergeht. Arbeitslosigkeit bei guter Konjunktur interessiert wenig. Weder Politik noch Ökonomik; heute.



Anmerkungen:

1 Häufigkeit, mit der eine Geldeinheit in einer Periode für Umsätze verwendet wird. Steigerung der Geldumlaufgeschwindigkeit wirkt wie eine Vermehrung, Verminderung der Geldumlaufgeschwindigkeit wie eine Verringerung der Geldmenge. Die Geldumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M3 wird berechnet als Verhältnis zwischen dem nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem Preisniveau, gemessen durch einen bekannten Preisindex.(Gabler)

2 Das permanente Einkommen ist in etwa das erwartete Einkommen der Zukunft, abgezinst auf heute. Genau genommen müsste man das heutige Einkommen mit der endlichen Kapitalwertformel errechnen. Es ist aber hinreichend gut, mit der unendlichen Rentenformel approximativ zu rechnen.
Die Formel für die ewige Rente: W0 = R / i.
Mit: W0: Barwert der ewigen Rente, i: Kalkulationszinssatz,
R: Rente (gleichbleibende Zahlung). Ein Anwendungsfall für die ewige Rente in der Praxis ist insbesondere die Unternehmensbewertung, da Unternehmen keine begrenzte (also ewige) "Laufzeit" haben.

3 Die natürliche Arbeitslosenquote beschreibt innerhalb der Volkswirtschaftslehre eine, nach der Theorie von Milton Friedman für jede Volkswirtschaft spezifische Rate, die dem makroökonomischen Gleichgewicht entspricht, in welchem die erwartete der aktuellen Inflationsrate gleicht (1+2). Die natürliche Arbeitslosenquote kann auch als die Arbeitslosenquote verstanden werden, zu der die Wirtschaft auf mittlere Sicht immer wieder zurückkehrt.(3)
1. Sachs, B. Larrain: Makroökonomik in globaler Sicht. 2001, S. 642 f.
2. M. Friedman: The role of monetary policy. 1968, S. 1-17
3. Blanchard, Illing: Makroökonomie. 2006, S. 172

4 Sockelarbeitslosigkeit bezeichnet diejenige Arbeitslosigkeit, welche unabhängig von Konjunktur und Jahreszeit immer vorhanden ist. Sie lässt sich folgendermassen untergliedern:
Friktionelle Arbeitslosigkeit; auch Sucharbeitslosigkeit genannt, kommt durch einen Stellenwechsel zu Stande und ist oft nur von kurzer Dauer. Wird einer Person in einem Unternehmen gekündigt, benötigt diese Zeit, um eine neue Stelle zu finden. Daher kann es sein, dass diese Person einige Wochen oder Monate arbeitslos ist.
Strukturelle Arbeitslosigkeit bezeichnet diejenige Arbeitslosigkeit, welche entsteht, wenn das Arbeitsangebot nicht mit der Nachfrage übereinstimmt und der Arbeitsmarkt zu wenig flexibel ist, um dies auszugleichen. Bspw. wurden nach der Erfindung von Autos weniger Pferde gebraucht, weshalb Hufschmiede vermehrt arbeitslos wurden und Automechaniker gesucht waren. Obwohl es offene Stellen gibt, können die Arbeitslosen am falschen Ort wohnen, die falsche Ausbildung oder zu hohe Lohnvorstellungen haben.
Das Auftreten von Friktionen aufgrund von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien wird in der Neuen Institutionenökonomik berücksichtigt, in der Neoklassik hingegen nicht.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



zurück ...

weiter ...




Ihr Kommentar


Falls Sie Stellung nehmen, etwas ergänzen oder korrigieren möchten, können sie das hier gerne tun. Wir freuen uns über Ihre Nachricht.